In Selbstorganisation und Agilität sehen viele Unternehmen Ansätze, den rasanten Wandel besser zu bewältigen. Was steckt hinter diesen Konzepten und Methoden? In unseren After-Work-Shops schaffen wir „Awareness“, geben Führungskräften Orientierung und konkrete Impulse für die Umsetzung in der täglichen Praxis-Arbeit.
Lesezeit: ca. 5 Minuten
Was hat sich verändert?
In der Vergangenheit stand die Produktivität der Arbeit im Mittelpunkt (Stichwort Taylorismus). Bei Veränderung & Change geht es um Effizienzsteigerung und die Optimierung von Strukturen, Prozessen und Abläufen. Der Mensch wird als „Produktionsfaktor“ gesehen, seine wichtigsten Fähigkeiten dafür sind Intelligenz, Sorgfalt und Fleiß.
Heute sind die exponentiell steigende Geschwindigkeit und Komplexität des Wandels selbst die Herausforderung. Denn es verändern sich gleichzeitig Kunden-Anforderungen, Mitarbeiter-Verhalten und der Arbeitsmarkt.
Zur Bewältigung von komplexen Problemstellungen und raschen Veränderungen (Stichwort: VUCA) sind neue Ansätze gefragt, neue Ideen werden gesucht. Heute (und künftig) braucht es dafür Menschen mit anderen / zusätzlichen Fähigkeiten: Kreativität, Leidenschaft und Initiative.
Selbstorganisation und Agilität
Neue Wege beschreibt Frederic Laloux in seinem Buch „Reinventing Organizations“: Groß-Unternehmen aus verschiedenen Branchen wie zB Buurtzorg oder Favi funktionieren auch mit einer ganz anderen Struktur. In flachen Hierarchien arbeiten kleine selbstorganisierte Einheiten und Teams und können dadurch rascher reagieren und erfolgreicher sein.
In komplexen Entwicklungsprojekten haben sich agile Methoden und Arbeitsweisen (z.B. Scrum im IT-Bereich Softwareentwicklung) längst etabliert. Teams schaffen hier Innovationen in kürzeren Entwicklungszeiten auch bei unklaren Zielsetzungen und sich ändernden Kundenwünschen.
Das Verständnis zu Agilität, der individuelle Wissenstand von Führungskräften und der jeweilige Umsetzungsgrad in den Unternehmen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt – vor allem, was die dahinterstehenden Konzepte, Methoden und die erforderliche Einstellung & Haltung betrifft.
Wie Führungskräfte inspirieren und motivieren …
Wer funktionierende, selbstorganisierte Teams für (die Entwicklung zu) mehr Kreativität, Leidenschaft und Initiative schaffen will, braucht auch als Führungskraft eine andere Rolle und eine andere eigene Einstellung und Haltung.
Wenn Führungskräfte denken, dass Menschen prinzipiell faul und nicht-kreativ sind werden sie tendenziell dazu neigen, Anreizsysteme einzusetzen, Aufgaben zu verteilen und Anweisungen zu geben. Für Entwicklung von Selbstorganisation benötigen Führungskräfte eine andere Haltung: Mitarbeiter sind an ihrer Arbeit interessiert, können sich selbst führen und übernehmen Verantwortung. In Jedem liegt das Potential für Ideen, das sich gemeinsam im Team dann entfaltet.
Der Fokus muss sich weg von Managementaufgaben (Kontrollieren, Planen, …) verschieben zu Leadershipaufgaben (Inspirieren, Motivieren …). Eine Basis für Inspiration und Motivation entsteht durch ein gemeinsames Verständnis über Sinn & Zweck des Teams und eine klare Vision, wie die Team-Zusammenarbeit künftig aussehen soll.
Für Führungskräfte ist es weiters wichtig, die Motive der Mitarbeiter zu (er)kennen und sie dort „abzuholen“. Eine Möglichkeit dazu bieten die „Moving Motivators“ von Jürgen Apello, die wir im Workshop gleich ausprobieren.
Die eigenen Beweggründe=CHAMPFROGS werden zunächst nach ihrer Wichtigkeit gereiht und dann im Hinblick auf Veränderung („mehr Selbstorganisation in meinem Team“) untersucht. Die anschließende Reflexion bringt sowohl Erkenntnisse über sich selbst und macht sichtbar, wie die Kollegen im Team „ticken“.
Die Beschreibung findet Ihr auf der Website Management 3.0 von Jürgen Apello.
Wie Freiräume schaffen und gestalten …
Ein unkonventionelles, radikales Beispiel findet sich bei Semco S/A: Bei Übernahme des traditionellen Maschinenbauers hinterfragte der junge Ricardo Semler alles und erkennt, dass Regeln und Regulatorien für Mitarbeiter kontraproduktiv wirken.
Ein Beispiel dazu sind Reisekosten-Richtlinien: „Wenn wir Angst davor haben, Menschen selbst darüber entscheiden zu lassen, in welcher Klasse sie fliegen wollen oder wie viele Sterne ihr Hotel haben muss, sollten wir sie eigentlich nicht losschicken, damit sie Geschäfte in unserem Namen machen, nicht wahr?“ Er orientierte das Unternehmen radikal und völlig neu und ließ Mitarbeiter bestimmen – diese legten ihr Gehalt selbst fest, entschieden über Neueinstellungen und Führungskräfte.
Semco ist ein erfolgreiches internationales Unternehmen mit heute ca 3000 Mitarbeitern und einem Jahres-Umsatz von 200 Millionen und funktioniert ohne jegliche formale Struktur – auf Basis von Selbstbestimmung und Demokratie. Ein Grundgedanke ist, dass Strukturen, Prozesse, … Flexibilität verhindern und für Mitarbeiter Grenzen aufbauen, die sie in ihrem eigenen Denken beschränken.
Nicht so radikal, aber deutliche Tendenzen zu mehr Freiraum, sieht man zB auch in der traditionellen österreichischen Industrielandschaft: Große Unternehmen wie Andritz, RHI, FACC, Strabag oder ÖMV haben starre Arbeitszeitregelungen, teilweise auch im fixen Schichtbetrieb, gelockert und sind so einen Schritt zur flexiblen, selbstständigen Arbeitseinteilung gegangen (Industriemagazin 03/2019).
Für Führungskräfte bedeutet das aus unserer Sicht:
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Hinterfrage vorhandene Regeln und Praktiken in der Zusammenarbeit und im Umgang mit deinem Team!
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Welche halten deine Mitarbeiter vom „Selbstdenken“ ab?
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Wo kann ich diese – zumindestens im eigenen Bereich – weglassen, um Freiräume für Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Kreativität zu fördern?
Wenn Kreativität im Vordergrund steht, kommt auch dem „Team“ eine wichtigere Bedeutung zu. Immer dort, wo verschiedene Menschen, aus unterschiedlichen Bereichen zusammen nachdenken, entwickeln sich neue, bessere Ideen und Innovation entsteht. Gleichzeitig arbeiten die Entwicklungsteams „agil“ unter Verwendung unterschiedlicher Methoden (zB Scrum, Kanban, DesignThinking, …).
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An der Basis arbeiten – Vertrauen aufbauen
Die wichtigste Basis gemeinsamer Zusammenarbeit im Team ist das Vertrauen untereinander. Dieses ist schwer greifbar, entsteht nur langsam und ist außerordentlich flüchtig. Direkt ansetzen und beeinflussen kann die Führungskraft aber die wesentlichen Bausteine fürs Vertrauen:
- Transparenz und
- Offenheit
Transparenz ist auch integrierter Bestandteil der agilen Methoden, daher kommt dort der Visualisierung eine hohe Bedeutung zu. Anforderungen, Aktivitäten und deren Fortschritt werden für das ganze Team sichtbar und verfügbar gemacht (ProductVisionBoard, Kanban-Boards, Backlogs, …). Der Austausch und Update wird in kurzen Meetings vorm Board als „Daily-Standup“ sichergestellt.
Basis für Offenheit sind alle Formen und Durchführung von Feedback. Das Framework Scrum definiert für das Entwicklungsteam eine „Retrospektive“. In diesem etwa 4 stündigen Meeting wird einmal im Monat gemeinsam die Zusammenarbeit reflektiert und Ansatzpunkte für Verbesserungen und zur Weiterentwicklung im Team definiert. Besonders wertvoll für Mitarbeiterentwicklung ist natürlich das direkte Feedback der Führungskraft. Bei XING erfolgt dazu ein einstündiges wöchentliches Gespräch der Führungskraft mit jedem einzelnen Mitarbeiter (siehe Blog: „Führen in der agilen Welt – Agile Leadership“).
Tipp an Führungskräfte: Natürlich braucht es zuerst Rahmenbedingungen, damit Feedback überhaupt stattfindet. Damit dann v.a. kritisches Feedback auch angenommen werden kann, helfen folgende Prinzipien bzw. Strukturen für wertschätzendes Feedback:
Feedback:
- Rahmenbedingungen schaffen, um zeitnahes Feedback zu ermöglichen
- Vorbereitung:
Beobachtung konkreter Situationen und Beispiele für Stärken und Entwicklungsfelder
- Struktur & Reihenfolge im Gespräch:
a) zuerst Eigenwahrnehmung einfordern
b) und dann Außenwahrnehmung geben
Die Rückmeldung aus unseren bisherigen Workshops zeigte, dass ein Austausch für Führungskräfte mit ihren KollegInnen – aus anderen Bereichen und unterschiedlichen Branchen – besonders wertvoll ist.
Diesmal starteten wir den Austausch mit folgenden Fragen, die Antworten der teilnehmenden Führungskräfte sind (in aller Kürze) zusammengefasst.
Welche Ansätze „Agilität / Selbstorganisation“ werden in den jeweiligen Unternehmen verfolgt?
Selbstorganisation im Vertriebsservice-Center, in Mitarbeiter-Recruiting, im Bürger-Service-Center, Scrum in der IT, Kanban-Boards, Agile Task Forces, Kurz-Meetings Wissensaustausch, selbstorganisiertes Ideenmanagement, Urlaubsplanung im Team, Freie Wahl Arbeitszeit & Homeoffice, …
Wo brauchts Kreativität und Freiräume für mein Team / meine Mitarbeiter?
Freiraum bei ToDos, fürs Ausprobieren von Neuem, für kreative Lösungen, für Out-Of-The-Box-Denken, derzeit im Umbruch: Eigenverantwortung im Team, Fehlerkultur, Verantwortung & Kompetenz, Problematisches Herausholen aus der Comfortzone, …
Was hat sich bei mir/uns bewährt, um mehr Transparenz zu schaffen?
Kanban, Working Out Loud, LessensLearned (Fehlerkultur), Daily StandUps, Wikis und Plattformen, Veröffentlichung Ergebnisse Management-Meetings, schwarzes Brett, Platz für Kommunikation, Projektfortschrittsprogramm, …
Die Vertiefung und Diskussion der Themen erfolgt in angenehmer Atmosphäre, um einander (noch besser) kennenzulernen. Der Austausch zeigt uns deutlich, dass jedes Unternehmen unterschiedliche Ansätze wählt und verschiedenartige Lösungsansätze umgesetzt werden.
Das bestätigt uns von Synergy wieder in unserem Ansatz, dass zielführende Konzepte, Methoden für Selbstorganisation oder Agilität nur dann greifen können und realistische Umsetzungschancen haben, wenn sie zum jeweiligen Unternehmen und der dort herrschenden Kultur passen.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden, wir freuen uns schon jetzt auf unserer nächsten After-Work-Shop am 5. Juni!
Liebe Grüße, bis zum nächsten Mal
Euer Stefan Bauer
Unsere vorherigen Blogartikel zum Thema „Agilität“:
Live von der „Agile beyond IT“
Review: After-Work-Shop „Organisation 4.0 – Agilität“
Workshop Agiles Arbeiten X+Y – Studie „Organisation 4.0 – Agilität“
Videoretrospektive zum After-Work-Shop „Agiles Arbeiten X+Y“
Agile Selling & Agile Planning